Beschreibung
“Mir scheint, als ob ökumenisches Lernen zwei Gesichter hat, eines für
die Reichen und eines für die Armen”, schreibt Chun Sun Lee. Sie hat uns
immer wieder die harte Frage gestellt, ob denn das, was die Christen in den
reichen Kirchen “Ökumenisches Lernen” nennen, nicht eine Veranstaltung
zur Beruhigung der eigenen Gewissen sein könnte. Ökumenisches Lernen wird
sinnlos, wenn es nicht zu Veränderungen und zum Handeln führt. Und die Zeit
drängt.
Aber dürfen wir Kinder drängen? Wie kann das notwendige ökumenische Lernen
im Kontext einer Pädagogik geschehen, die gelernt hat, daß wir Kinder
nicht bedrängen, nicht vor der Zeit in Entscheidungen stellen, nicht mit
unseren eigenen Überzeugungen überrollen dürfen? Gerade in der heutigen
Welt müssen wir Kindern die Chance geben, sie selbst zu werden: selbst
wahrzunehmen, selbst zu entdecken, selbst einzuschätzen, selbst zu
urteilen.
Chun Sun Lee hat uns geholfen, angesichts dieser Fragen die Rolle des
Erzählens neu zu begreifen. Das Erzählen zeigt gerade hier die Möglichkeit
einer elementaren kommunikativen Didaktik. Sie unterscheidet sich von der
Härte der Bildschirmmedien von Grund auf: Das Erzählen lebt von
unmittelbarer menschlicher Kommunikation, es überschwemmt die Seele nicht
mit schon fertigen Bildern, sondern läßt der Phantasie die Freiheit,
eigene Bilder zu erzeugen, und dadurch lähmt es nicht, sondern macht
urteils- und handlungsfähig. So kann ein authentisches Erzählen im
ökumenischen Lernen eine Schlüsselrolle gewinnen. Und weil es nun einmal
die Bibel ist, die die Ökumene zusammenhält, orientiert sich dieses
Erzählen wieder an biblischen Erfahrungen.
Sun Chun Lee ist Lehrbeauftragte an der
Universität Seoul.