Beschreibung
Nach den Akten eines Gerichtsprozesses aus dem Jahre 1824
rekonstruiert Sabine Kienitz eine Skandalgeschichte um
“Hurerey”, Betrug und Erpressung in der würtembergischen
Stadt Hall. In dichter Beschreibung entsteht ein
differenziertes Bild kleinstädtischer Lebenswelt, ihrer
sozialen Bindungen und Netzwerke. Vor allem gelingen
ungewöhnliche Einblicke in das historische Konfliktfeld um
Geschlechterrollen und Sexualität.
Die Quelle enthüllt detailreich, wie sich hinter der
sittenstrengen Fassade die sexuellen Beziehungen zwischen
den Honoratioren der Kleinstadt und Frauen der Unterschicht
entwickelten und gestalteten. Während die einen, als das
Geschäft ruchbar wurde, vor Gericht ihren “guten Ruf”
verteidigten, kämpften die anderen um Würde und Recht. Für
die Frauen und ihre Familien war die Prostitution in Zeiten
der Not mitunter die einzige Erwerbsquelle und damit
überlebenswichtig.
So gerät dieser Prozeß auch zu einem bürgerlichen Lehrstück
über weibliche (Ohn-)Macht und männliche Doppelmoral.