Beschreibung
Wer sich aus ethnologischer Perspektive mit Verwandtschaft beschäftigt,
fragt nach den Grundlagen gesellschaftlichen Zusammenhaltes, nach der Art
und Beschaffenheit des “sozialen Kitts”. Im Mittelpunkt dieses Bandes
stehen Formen von Verwandtschaft, die durch Adoption oder durch die
Nutzung assistierender Reproduktionstechnologien herbeigeführt werden.
Diese Verwandtschaftsformen werden als “Aktiva” verstanden: als Ergebnis
von Handlungen. Die Fragestellung lautet nicht: “Wie ist oder wie wird
man verwandt?”, sondern “Wie macht man Verwandte und Verwandtschaft?”
Ethnographisch erforscht und beschrieben werden Routinen, die
unterschiedliche Akteure im Umfeld von Berliner Kinderwunschpraxen und
Istanbuler Tüp bebek Kliniken entwickeln, präzedenzlose Entscheidungen,
die in Beratungsstellen für Regenbogenfamilien oder in
Selbsthilfeorganisationen ungewollt Kinderloser getroffen werden, Akte des
Austausches und der Kommunikation, durch die transnationale Netzwerke und
Spielräume entstehen. Wissen um Gesetze und Genetik sowie Nicht-Wissen,
beispielsweise um die Identität anonymer Spender, spielt bei diesen
Projekten des Verwandtschaft-Machens eine konstitutive Rolle, aber auch
materielle Infrastrukturen und transnationale Mobilität.
Verwandtschaftsverhältnisse, die auf Adoption beruhen oder durch
Technologien ermöglicht werden, stehen jedoch keineswegs in einem
Gegensatz zu “normaler” oder “natürlicher” Verwandtschaft. Sie
verdeutlichen lediglich in besonderer Art und Weise den
Herstellungscharakter, welcher der sozialen Form “Verwandtschaft” immer
innewohnt.