Beschreibung
Von allen Shakespeareschen Dramen haben die sogenannten Problemstücke und
Romanzen im Laufe ihrer Rezeptionsgeschichte die divergierendsten
Deutungen erfahren. Als symptomatisch dafür konnten lange Zeit die
Vielzahl und die Diversität der für die jeweiligen Stücke diskutierten
Gattungszuordnungen gelten. Die vorliegende Arbeit nimmt mit ihrem
gattungsorientierten Ansatz diese Beobachtung noch einmal als ihren
Ausgangspunkt. Dabei entwickelt sie ein beide Gruppen umfassendes
Verständnis, indem sie sie als in einem dritten, weder komödien- noch
tragödienhaften, sondern tragikomödienhaften Gattungsraum verortet
begreift. Neben einem Blick auf die tragikomödienhafte Theorie und Praxis
des 16./17. Jahrhunderts (und auch des 20. Jahrhunderts) hat sich zur
näheren Kartographierung eines solchen Gattungsraumes Bachtins Konzept des
Karnevalesken – allerdings in einer eher unüblichen Lesart – als
sinnstiftend erwiesen. In Fortsetzung der Tradition des
character criticism – jüngst eher geschmäht – gilt das
besondere Interesse der
Figurenkonzeption und -charakterisierung: Welchen vielleicht spezifisch
tragikomödienhaften Erfahrungs- und Entwicklungsraum haben diese Dramen
ihren Protagonisten und Protagonistinnen anzubieten? Die Ergebnisse der
vorgelegten detaillierten Einzelinterpretationen zu
Troilus and Cressida,
All’s Well that Ends Well, Measure for Measure, Cymbeline, The Winter’s
Tale, The Tempest und, exkursartig, Henry VIII stellen die
texterschließende Fruchtbarkeit einer derartigen, in der Forschung
unüblichen verbindenden Betrachtungsweise beider Textgruppen unter Beweis:
Die Figuren und auch wir, die Zuschauer, begegnen in ihnen neuartigen
`tragikomisch-karnevalesken’ Entwicklungsräumen.