Beschreibung
“Hexenspuk der Wiedertäuferei”, “Vorläufer des neueren
Sozialismus”,”Garten der Lüste”; eine “rätselhafte, auf ein ganzes
Gemeinwesen gefallene Psychose”- dies ist nur eine kleine Auswahl
der Erklärungsversuche, die im Laufe der Jahrhunderte für das
sogenannte “Täuferreich von Münster” gefunden wurden. Immer
wieder setzen sich nicht nur die zahlreichen Besucher der
westfälischen Metropole, sondern auch Geschichtsschreiber und
Literaten, Komponisten und Journalisten, Künstler und
Museumsdirektoren mit den Vorgängen um Jan van Leiden, Bernhard
Rottmann und Bernd Knipperdollinck auseinander. Die meisten
Rezipienten vertreten dabei einen unmissverständlichen Anspruch: Sie
geben vor, dem Leser, Zuschauer oder Betrachter die “wahre
Geschichte” zu präsentieren. Um eine solche, vermeintlich gesicherte
Darstellung der damaligen Ereignisse geht es in dieser Arbeit über die
Rezeptionsgeschichte des Täuferreichs von Münster nicht.
Warum und mit welcher Absicht haben sich Menschen dem Thema
gewidmet und es in einer ganz bestimmten Art und Weise
festgehalten? Welche Bedürfnisse sollen bedient, welche Fragen über
die Beschäftigung mit dieser “deutsamsten aller Geschichten”
beantwortet werden? Jenseits normativer Kriterien wie etwa der Frage
nach historischer Authentizität oder künstlerischer Qualität geht die
vorliegende Untersuchung, basierend auf einer breiten,
interdisziplinären Quellenbasis, den Gründen für die Faszination nach,
die das Täuferreich von Münster seit über 450 Jahren ausübt.