Beschreibung
Einen “hermeneutischen Grenzfall” nennt der Autor der vorliegenden Studie
den Gegenstand seiner Untersuchung. Das Grüne Buch des libyschen
Revolutionsführers Mu`ammar al-Qaddafi, so die zentrale These, liegt auf
einem derartig herabgesetzten Differenzierungsniveau, dass es die Welt als
erweiterten Stammesverband erklären und in ihrer Fremdheit neutralisieren
kann. Mit dem Rüstzeug der Habermasschen Kommunikationstheorie wird
akribisch nachgewiesen, welches hohe Maß an präreflexiven
Selektionsleistungen und Sinnverzerrungen das sprachliche Weltbild des
Beduinensohnes al-Qaddafi aufbieten muss, um sich gegen die
Abstraktionszumutungen der Moderne zu immunisieren. Weder eine Theorie
noch einen politischen Text, geschweige denn eine Handlungsanweisung, wie
allgemein angenommen wird, stellt das Grüne Buch demnach dar, sondern
einen identitätsstiftenden beduinischen Mythos der Herrschaftsfreiheit und
der konkreten Solidarität unter Verwandten.