Beschreibung
Dieses Buch versucht die Paulusbriefe als das wahrzunehmen, was sie
sind: Schriftstücke eines konkreten Absenders an ganz bestimmte
Adressaten, verfaßt in einer je eigenen geschichtlichen Situation mit
einer darauf bezogenen Wirkabsicht. Sie sind kommunikative Handlungen
des Apostels an seinen Gemeinden. Dem versucht die vorliegende
Untersuchung dadurch gerecht zu werden, daß sie die damals gültigen
Regeln für eine gelingende Kommunikation, wie sie in der antiken
Rhetoriklehre sowie in der Epistolographie minutiös beschrieben werden,
zur Interpretation paulinischer Texte heranzieht. Gleichzeitig soll mit
Hilfe moderner literaturwissenschaftlicher Kategorien der besonderen
Eigenart der Briefe als schriftlicher Kommunikation Rechnung getragen
werden.
Am Beispiel des Paulusbriefes 2Kor 1-9, der entgegen gängiger
literarkritischer Operationen als einheitliches Schreiben anzusehen ist,
wird exemplarisch gezeigt, daß der komplexen Abfolge der Texte eine
bewußte rhetorische Strategie zugrunde liegt. So ist eine Disposition
des Briefes zu beobachten, die nach einer gemeinsamen Einleitung
(1,1-14) eine Abfolge zweier parallel angelegter und sachlich
aufeinander bezogener Briefteile erkennen läßt. Was der apologetische
(1,15-7,3) und der deliberative Briefteil (7,4-9,15) entfalten, ist die
Reziprozität von Apostel- und Gemeinderuhm.
Nicht zuletzt werden Funktion und Strategie einzelner Textpartien,
deren Integration in ihren vorliegenden Kontext bei bisherigen
Interpretationsversuchen oft angezweifelt oder gar abgestritten wird
(z.B. 2Kor 3,4-18), aus dem Ganzen des auf ein bestimmtes Ziel hin
ausgerichteten Schreibens einsichtig gemacht.