“no saben ni hablar pobrecitos” – “sie können nicht mal sprechen, die Armen”

ab 30,90 

Andreas König

Formen des Sprechens und die Konstruktion der Identität in der Sierra von Huelva / Andalusien (Spanien)

ISBN 978-3-8258-3877-3
Band-Nr. 53
Jahr 1998
Seiten 488
Bindung broschiert
Reihe Spektrum.

Artikelnummer: 978-3-8258-3877-3 Kategorien: ,

Beschreibung

Ethnologische Tätigkeit beruht in dreifacher Weise auf dem
Dialog. Über den Dialog werden in der untersuchten
Gesellschaft selbst Kultur und Bedeutung hergestellt und vermittelt: Gesellschaft wird in ihm
ständig neu produziert. Das System von symbolischen Bedeutungen wird
im Dialog der Feldforschung vermittelt. Schließlich stellen Dialoge das
zentrale empirische Material dar, auf dem die ethnographische
Repräsentation der fremden Gesellschaft beruht.

Das Sprechen als grundlegendste soziale Tätigkeit des
Menschen muß, wie alle Arten sozialen Handelns, kulturspezifische Eigenarten
haben, die (vergleichend) zu untersuchen eine Hauptaufgabe der
Ethnologie ist. Worin besteht aber überhaupt die kulturelle Prägung des
Sprechens und in welchen spezifischen Formen kann sie gezeigt werden? Um die
mündlichen Quellenmaterialien der Ethnologie auf ihre spezifischen
Arten der Bedeutungskonstruktion hin zu untersuchen, muß eine
eigene, genuin ethnologische Methodik entwickelt werden.
Sprechwissenschaften wie die Kommunikationsethnographie, die Konversationsanalyse und
Soziolinguistik haben wichtige Vorarbeiten erbracht, doch muß die
Perspektivik ihrer Fragestellungen umgekehrt werden: Wenn das Sprechen eine
kulturelle Form hat, was sagt diese dann über die Sprecher selbst und
darüber aus, wie sie sich in Beziehung setzen? Um Verstehen zu erreichen,
müssen die Sprecher verweisen: auf sich selbst, auf einander und auf ihre
Gesellschaft. Besonders mit “leeren Zeichen” (z. B. Deiktika) leisten sie
die Konstruktion personaler, lokaler und kollektiver
Identität.

Anhand von Tondokumenten aus einer vergleichenden
Feldforschung in zwei ländlichen Gemeinden im Bergland von Südspanien
(Andalusien) bzw. Ostdeutschland (Thüringen) zeigt der Autor, welche Formen
der Konstruktion von Identität die Sprecher verwenden und wie diese mit
Blick auf die “sprechende Gesellschaft” lesbar sind.

Indem die Ethnologie den Dialog nicht allein als Vehikel
kultureller Inhalte, sondern bereits selbst als eine kulturelle
Tätigkeit nimmt, eröffnet sie sich einen neuen Zugang zur Frage nach der
Konstruktion der kulturellen Bedeutung und gewinnt zum Status der reinen
Beobachtungswissenschaft die Qualität der
“Hörwissenschaft” hinzu.