Beschreibung
“Auf defekter Schreibmaschine geschrieben,
wird die Melancholie zu der Unverschämtheit, die sie ohnehin
schon ist.” (Günter Eich)
Als Schlüssel zum Gesamtwerk Eichs erprobt die vorliegende
Studie das überlieferte Konzept, den Code der Melancholie.
Seine hermeneutische und integrative Kraft, vor allem
in den noch immer als dunkel und in sich heterogen
etikettierten späten Texten, wird in der Analyse dreier
Werke durch mikroskopische Wort-für-Wort-Reflexion und die
Rekonstruktion von komplexen, textimmanenten wie allgemein-
und literaturhistorischen Bedeutungszusammenhängen
exemplarisch entfaltet.
Als konstitutiv für die Eichsche Poetik erweist sich der
Gegensatz von Macht bzw. Machtsprache und Literatur sowie
die Verankerung beider in der schwarzgalligen Psychophysis.
Ist dem jungen, seinsgläubigen Eich die Melancholie Muse
seiner realitätsflüchtigen Transgressionspoesie, so
begründet der Fünfzigjährige mit ihr eine Literatur, die er
als Kritik der Empirie, vor allem jedoch der herrschenden
Sprache versteht. In eigenartiger Dialektik von
Weltverhaftung und Wirklichkeitsflucht konstituiert sich
jetzt im Medium des prosaischen Textes das melancholische
Ich als negatives, diabolisch trotziges Subjekt und, unter
den Devisen “rebellieren und leiden”, “sanft und
aufsässig”, die anarcho-melancholische “Ritterschaft von
der traurigen Gestalt”.