AD OPUS

Derzeit hat die kunstgeschichtliche Wissenschaft bei ihren
fachübergreifenden Bemühungen das Spezifikum der bildenden Kunst und ihrer
Geschichte mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt. Bei primärem
Interesse für gesellschaftliche und politische, theologische und
religiöse, ideologische und wirtschaftliche und sonstige Bedingungen und
Funktionen der Kunst, die ohne Zweifel bestanden haben und erforschenswert
sind, kommen die in der Kunst selbst liegenden Erfindungs- und
Gestaltungskräfte zu wenig, oft gar nicht mehr zur Geltung.
Interdisziplinäres, Forschen setzt, wenn es nicht in globalisierte
Indifferenz führen will, die Wahrung von Fachspezifitäten und -disziplinen
voraus. Das von der bildenden Kunst suamet virtute
Geschaffene will wieder ins Licht gerückt, die Originalität ihres
Mitgestalters am Geist- und Ordnungsgefüge in Geschichte und Gegenwart
aufgedeckt werden. Wenn Kunst- und Zeitwirklichkeit Dialoge miteinander
führten, so vermochten sie es unter der Voraussetzung ihrer
Nichtidentität.

Damit treten die individuellen Leistungen des Künstlers wieder in den
Mittelpunkt des Interesses, nicht als Phänomene ex nihilo,
sondern eingebettet in Zusammenhänge und Bedingungen, die nun als
kunstspezifische zu würdigen sind. Zum einen beurteilen sie sich im
Kontinuum, gegebenenfalls auch in Umbrüchen kunstgeschichtlicher
Entwicklungen, in einem Netz unterschiedlicher Beziehungen und
Beeinflussungen, zum anderen aber auch in Plan und Entwurf, Genese und
Ausführung des einzelnen, individuellen Werks. Die Auftraggeber werden als
Förderer nicht automatisch auch als Erfinder und Gestalter des Werkes
greifbar. Das Kunstwerk stellt, auch im Mittelalter und Spätmittelalter,
mehr dar als nur ein technisches, handwerkliches Produkt, dessen Fertigung
sich in einer die Rolle des spiritus rector verkleinernden
oder sogar ausschließenden Weise auf ein Kollektiv von Ateliergehilfen
verteilt denken ließe. Die mit naturwissenschaftlich apparativen Mitteln
zu erkundende Faktur eines Werkes beispielsweise der Malerei ist letztlich
als ein Bestandteil seiner künstlerischen Gestalt im ganzen und im Licht
seines Gehalts, seiner Aussage und Wahrheit zu begreifen. Opus
meint hier das Kunstwerk in der Ganzheit seines Entwurfes, seiner
materiellen, formalen und geistigen Wirklichkeit.

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