Beschreibung
1962 stellte Gerhard Oestreich (1910 – 78)
erstmals seine Idee von Sozialdisziplinierung vor. Der
Begriff ist heute in der Frühneuzeitforschung etabliert,
ohne daß Einigkeit über seine Definition und Reichweite
herrscht. Oestreich versuchte mit ihm zunächst die Zunahme
von Regeln und Zwängen im Leben der frühneuzeitlichen
Menschen zu erfassen. Vor allem die monarchisch
ausgerichteten Flächenstaaten des 16./17. Jahrhunderts
suchten im Rahmen ihres inneren Ausbaus das Prinzip von
Zucht und Ordnung auf allen Ebenen zu etablieren. Das
Regiment freier Städte ruhte dagegen seit jeher auf
genossenschaftlich geprägten Verfassungen und strebte nach
Ruhe und Frieden. Wegen dieses unterschiedlichen Geistes in
Stadt und Land nahm Oestreich die Städte von
Sozialdisziplinierung aus und sprach hier von
Sozialregulierung als einer reaktiven Kraft. Dieser in der
Forschung heute weitgehend übergangene Terminus ist jedoch
gerade in seiner Abgrenzung zum Mutterbegriff als
fokussierendes Element unabdingbarer Bestandteil des
Konzepts der Sozialdisziplinierung.
Policeyordnungen dokumentieren weitreichende Eingriffe in
den Alltag ihrer Zeit. Sie sind in der Regel von
privatrechtlichen Bestimmungen im Bereich allgemeiner
Luxusbeschränkung und Verhaltensnormierung geprägt und
tausendfach im Alten Reich erschienen. Obwohl sich ihre
Inhalte oft sehr ähneln, ist diese Quellengattung nicht
pauschal der Sozialdisziplinierung zuzuordnen. Mit vielen
konkreten Belegen und zwei Policeyordnungen als Hauptquellen
versucht der vorliegende Band eine auf ihrer Genese
basierende Anwendung der Begriffe Sozialdisziplinierung und
Sozialregulierung vor dem Hintergrund der norddeutschen
Landesgeschichte des frühen 17. Jahrhunderts.
Daniel Tilgner studierte
Geschichte an der Universität Hamburg und ist Verfasser und
Herausgeber mehrerer Veröffentlichungen zur norddeutschen
Landesgeschichte.