Beschreibung
In regelmäßigen Abständen gerät die Ukraine in die Schlagzeilen – sei es
durch politische Blockaden, Energie(transit)krisen, den drohenden
Staatsbankrott oder den Brennpunkt Krim. Doch die Eliten des Landes
scheinen die Krise längst als Normalfall zu betrachten und üben sich in
Gelassenheit.
Die jüngste Geschichte der Ukraine liefert den Schlüssel zum
Verständnis dieser Phänomene, denn die Unabhängigkeit kam 1991 als
“Historischer Kompromiß” zustande. Dabei dominierte die Erwartung, die
Eigenstaatlichkeit würde mit Wohlstandsgewinnen einhergehen. Doch schon
Anfang der 1990er Jahre führten ein fehlender Reformkonsens, Machtkämpfe
und die rent-seeking-Strategien der Eliten zu einer wirtschaftlichen
Krise ungeahnten Ausmaßes. In der stärker sowjetisch-russisch geprägten
Ostukraine schlug die Stimmung in Enttäuschung um, die von der
sprachlich-kulturellen Ukrainisierungspolitik verstärkt wurde. Die
Regionaleliten konzentrierten sich auf die Aneignung staatlicher
Renteneinkommen und den Schutz ihres neuen Privateigentums. In dem Maße,
wie die neue ukrainische Eigenstaatlichkeit diesem Zweck diente, wurde sie
akzeptiert und genutzt. Bis heute bestimmen diese Motive die Entwicklung
der Ukraine.